Bulgarien ist das wirtschaftlich ärmste Mitgliedsland der Europäischen Union. Die grössten Verlierer der Wende von 1989 sind die Roma. Für sie hat auch der EU-Beitritt zu keiner merk- lichen Verbesserung ihrer Situation geführt, im Gegenteil. Und so sehen die meisten nur noch einen Ausweg aus der Misere: die Emigration nach Westeuropa.
Triste Wohnblöcke, von denen der Putz herab bröckelt, dazwischen windschiefe Hütten aus Ziegelsteinen, Wellblech, Holz und Dachpappe – das ist Stolipinovo, das Roma-Ghetto von Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Etwa 50.000 Menschen leben hier, und viele von ihnen in Verhältnissen, wie man sie sonst nur aus südamerikanischen Favelas kennt: Ohne Strom und fließendes Wasser, überall liegt Müll herum, und obwohl es kaum noch Platz gibt, wird noch immer weiter gebaut: anarchisch, wild und ohne Plan. „Stolipinovo ist eine soziale Zeitbombe, die in wenigen Jahren explodieren wird, wenn hier nichts passiert“, sagt Asen Karagyozov, während er durch das Viertel führt.
Pferdefuhrwerke fahren vorbei, die Alteisen zum Schrotthänder bringen. Links und rechts einer mit Schlaglöchern übersäten Straßen bieten Händler Obst, Gemüse und gefälschte Markenartikel an. Vielleicht gerade einmal 1000 Leute haben hier eine regelmäßige Arbeit, schätzt Asen Karagyozov, vor allem bei städtischen und privaten Reinigungsfirmen. Andere verdingen sich als Tagelöhner oder halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser: in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder als Sammler von Altpapier, Metall und Glas.
Orte wie Stolipinovo gibt es in fast allen größeren Städten Bulgariens. Sie sind der sichtbarste Ausdruck dafür, dass Roma die größten Verlierer der Wende von 1989 sind. Während der Zeit des Kommunismus gingen auch in Stolipinovo fast alle einer regulären Arbeit nach, die Kinder besuchten die Schule, es gab freien Zugang zur Gesundheitsversorgung. Zwar wohnten schon immer mehrheitlich Roma im Viertel, aber es gab auch noch Bulgaren, mit denen das Zusammenleben weitgehend konfliktfrei verlief.
Doch dann „brach die Demokratie aus“, wie man in Bulgarien bis heute gerne sagt. Und mit ihr sollte sich die Situation der Roma drastisch zum Schlechteren wenden.
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